12/11/2024 0 Kommentare
Gebäude auf dem Prüfstand
Gebäude auf dem Prüfstand
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Gebäude auf dem Prüfstand
Die Zahlen sind beeindruckend: im Kirchenkreis Kirchhain zählen wir in den gut 60 Orten bzw. Ortsteilen 122 kirchliche Gebäude. Das sind 52 Kirchen, je 26 Pfarrhäuser und Gemeindehäuser, dazu sieben Kitagebäude und 11 Sondergebäude wie Wohnhäuser, eine Gaststätte, Friedhofskapellen oder das Dekanat. Sie alle stehen für die kirchliche Präsenz nicht nur in den großen Städten, sondern überall dort, wo Menschen leben. Die kleinste Kirchengemeinde im Kreis hat 119 Gemeindeglieder und auch dort steht eine eigene Kirche.
Diese flächendeckende Ausstattung mit Gebäuden ist ein Spiegel davon, dass die Gesellschaft über sehr lange Zeit hinweg deutlich konfessionell geprägt war. Evangelische und Katholische Christinnen und Christen machten noch 1987 in Deutschland 84,5% der Bevölkerung aus. Hinzu kam, dass die stetig steigenden Einnahmen durch die Kirchensteuern das Errichten und die Unterhaltung von Gebäuden ermöglichten.
Die Gesellschaft hat sich verändert
Daran hat sich in den letzten Jahrzehnten sehr viel geändert. Evangelische und katholische Christinnen und Christen sind seit dem letzten Jahr in Deutschland eine Minderheit geworden und stellen noch etwa 46% der Bevölkerung. Die Zahl der Gemeindeglieder geht zurück. Dieser Trend hält an. Auch die Zahl der Pfarrstellen ist geringer geworden und wird noch geringer werden. Längst werden nicht mehr alle Pfarrhäuser von Pfarrerinnen oder Pfarrern bewohnt. Längst haben wir Gemeindehäuser, in denen kaum noch eine Veranstaltung stattfindet. Auch die Anzahl der Gottesdienste muss immer wieder angepasst werden.
Die Mittel werden knapper
Schon seit einigen Jahren ist deutlich, dass der Gebäudebestand nicht mehr zur Realität und zu den Möglichkeiten der Kirche passt. Die zur Verfügung stehen Mittel reichen schon jetzt bei weitem nicht aus und werden noch weiter reduziert. Rund 500.000 Euro stehen dem Kirchenkreis in diesem Jahr zur Verfügung für alle diese 122 Gebäude. Wer selber Hausbesitzer ist und schon mal eine Sanierung machen musste, weiß, dass diese Zahlen nicht zusammenpassen. Schon im nächsten Jahr wird dieser Betrag noch einmal reduziert. In den anderen Kirchenkreisen unserer Landeskirche und in den anderen Landeskirchen sieht es ähnlich aus. Es ist sehr klar, dass es hier zu Anpassungen und Veränderungen kommen muss. Man darf die Augen nicht vor dieser Realität verschließen. Die Landessynode hat sich im Frühjahr sehr intensiv mit dieser Frage beschäftigt und einen Beschluss gefasst, der nun auch bei uns umgesetzt werden muss:
Wir müssen handeln
Bis zum 1. Januar 2026 muss jeder Kirchenkreis eine Liste aller kirchlichen Gebäude vorlegen. Jedes Gebäude wird in die Kategorie Grün, Gelb oder Rot einsortiert.
Die grünen Gebäude sind weiterhin antragsberechtigt für Zuschüsse aus den Baumitteln des Kirchenkreises. Maximal 30% aller Gebäude im Kirchenkreis dürfen mit grün gekennzeichnet sein.
Die gelben Gebäude sind nicht mehr antragsberechtigt für Zuschüsse aus den Baumitteln des Kirchenkreises. Hier lautet die Empfehlung, die Gebäude durch Fremdfinanzierung (Vermietung, Umwidmung, Fundraising o.ä.) zu erhalten. 30 bis 40% aller Gebäude im Kirchenkreis dürfen mit gelb gekennzeichnet sein.
Die roten Gebäude sind ebenfalls nicht mehr antragsberechtigt für Zuschüsse aus den Baumitteln des Kirchenkreises. Hier lautet die Empfehlung, sich von den Gebäuden zu trennen, wenn sie nicht mehr genutzt werden können. Mindestens 30% aller Gebäude im Kirchenkreis müssen mit rot gekennzeichnet werden.
Für den Kirchenkreis Kirchhain bedeutet das etwa: 36 Gebäude werden grün, 36 bis 48 Gebäude werden gelb und noch einmal 36 Gebäude werden rot. Im Kirchenkreis wird nun schon auf vielen Ebenen intensiv darüber nachgedacht und beraten.
Wir tun etwas
Im September haben wir in einem Workshop mit Vertreterinnen und Vertretern aus allen Kirchenvorständen der Kirchenkreise Kirchhain und Marburg an dem Thema gearbeitet. Der Bauausschuss und der Kirchenkreisvorstand einen Gebäudeplanentwurf erstellen, der auf der Frühjahrssynode 2025 vorgestellt werden soll. Dabei sind viele Faktoren zu berücksichtigen, etwa das Verhältnis von Gemeindegliedern und Gebäuden in den einzelnen Kooperationsräumen, die Erreichbarkeit, der bauliche Zustand und so weiter. Dieser Plan wird dann über den Sommer 2025 auch in den Gemeinden beraten. Änderungen können noch vorgenommen werden, müssen aber gut begründet sein. Auf der Herbstsynode 2025 wird der Plan dann verabschiedet werden.
Die eigentliche Perspektiventwicklung startet dann erst so richtig. In dem Zeitraum, in dem die Gebäude noch gut dastehen, können und müssen die Kirchengemeinden dann Perspektiven für die Zukunft entwickeln. Kommunen, Vereine und andere öffentliche Institutionen sind da geeignete Ansprechpartner. Dazu erhalten Sie Unterstützung für Beratung und Moderation.
Da die allermeisten Gebäude im Besitz der Kirchengemeinden sind, wird der Kirchenkreis natürlich keine Vorschriften machen, wann ein Gebäude abgegeben oder fremdfinanziert sein muss. Das bleibt eine Entscheidung der Kirchengemeinde. Lediglich die Frage, ob es für ein Gebäude auch nach dem 1. Januar 2026 noch Zuschüsse aus den Baumitteln des Kirchenkreises gibt, wird dann beantwortet sein.
Es wird nicht leicht
Natürlich löst ein solcher Beschluss der Landessynode erhebliche Verunsicherung aus. Das, was so lange als selbstverständlich und gesetzt galt, wird nun unsicher. Viele Ältere in den Gemeinden haben in den 60er und 70er Jahren noch selbst ehrenamtlich mitgebaut an Kirchen oder Gemeindehäusern. Nun müssen sie miterleben, wie die Zukunft dieser Gebäude unsicher wird. Mittlerweise sind die Kosten für die Instandhaltung vieler Gebäude durch gestiegene Preise, durch zahlreiche gesetzliche Vorgaben und auch durch den Denkmalschutz erheblich gestiegen. Dass Freiwillige mitbauen ist heute kaum noch vorstellbar.
Wir haben weiterhin Grund zur Hoffnung
Müssen wir hier das Ende der Kirche fürchten? Nein, das müssen wir nicht! Die Situation der Kirchen in Deutschland ist immer noch gut. Uns fehlt es am meisten am Nachwuchs. Die Säule der Kirche ist das Evangelium, das verkündet, geteilt und vor Ort gelebt wird. Dafür haben wir noch immer sehr viele gute Möglichkeiten, auch wenn die Anzahl der Gebäude nicht so bleiben kann, wie sie ist. Wir sollten die Augen nicht verschließen vor dieser Realität, aber wir müssen auch nicht nur darauf starren und alles andere aus dem Blick verlieren. Das wäre bedauerlich. Das Evangelium scheint als Licht in unsere Welt und belebt unsere Gemeinschaft auf so viele Weisen. Da bleibt ganz viel Gutes, auch wenn man von den Gebäuden absieht. Im Ausland durfte ich von 2008 bis 2011 eine deutschsprachige Kirchengemeinde aufbauen. Eigene Gebäude hatten wir nicht. Alleine in Dubai liefen aber drei Kinderkirchen mit jeweils etwa 20 Kindern. In Wohnzimmern oder Gärten trafen wir uns. Das Bild soll das aussprechen: die Schuhe (und der daran hängende Sand) bleiben draußen, die Kinder treffen sich drinnen. Egal, was wir so geplant haben, wir haben immer dafür einen angemessenen Ort gefunden. Wir haben viele solcher Orte und ich wünsche mir, dass wir die neben der Sorge und Trauer um einzelne Gebäude nicht aus den Augen verlieren. „Lasst euch als lebendige Steine zu einem geistigen Haus aufbauen“ heißt es im 1. Petrusbrief (2,5). Das gilt aus meiner Sicht auch und vielleicht gerade in Zeiten des Nachdenkens über die Gebäude. Dekan Jens Heller
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